Die Fachtagung war damit Teil der „Entwicklungsbezogenen Bildung in Deutschland“, und die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung standen im Vordergrund. So waren es am Ende auch sehr gemischte Gefühle, die man bei den Teilnehmerinnen der Fachtagung - Ausbilderinnen, Prüferinnen, hauswirtschaftliche Führungskräfte und interessierte Gäste - vorfand. Da war zunächst die Freude am Zusammentreffen aus Lehrgangs- und Prüfungstagen, am gemeinsamen Austausch und dem interessanten Input des Tages. Abgelöst wurde es von Unbehagen und zuweilen auch einem schlechten Gewissen, dass die Nachhaltigkeitsziele unerreichbar zu sein scheinen und man häufig selbst ein Teil des Problems ist. Am Ende überwog aber die Hoffnung, dass es viele Stellschrauben gibt, an denen gerade die Fach- und Führungskräfte in der Hauswirtschaft drehen können.
Gudrun Breuer, Mitglied im Vorstand der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz (LWK), eröffnete die Fachtagung. Sie konnte berichten, dass laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung die Hauswirtschaft einer der nachgefragtesten Branchen im öffentlichen und privaten Bereich ist. Leider werden in der Regel „hauswirtschaftliche Kräfte“ gesucht. „Das meint dann aber keine ausgebildeten Fachleute“, so Breuer, „sondern ungelernte Kräfte mit entsprechend niedriger Bezahlung.“ Trotz aller Widrigkeiten passt die Hauswirtschaft aber einfach in die heutige Zeit und auch bei der LWK ist der große Bedarf deutlich spürbar. Ob die weiterhin hohe Nachfrage von Berufsbildenden Schulen auf der Suche nach hauswirtschaftlichen Lehrkräften, Fragen nach Hauswirtschaftsleitungen für Senioreneinrichtungen oder Hauswirtschafterinnen für Kitas und Schulen und die Suche nach Fachkräften für die Ernährungsbildung bei den LandFrauen: Hauswirtschafterinnen sind gefragt. Gudrun Breuer wies auch im Hinblick auf die noch immer unklare Situation bei der geplanten Zusammenlegung der beiden zuständigen Stellen für die Hauswirtschaft in Rheinland-Pfalz auf die große Bedeutung einer guten Zusammenarbeit aller Akteure in der hauswirtschaftlichen Aus- und Fortbildung hin, um die schwierige Lage dieses wichtigen Berufsfeldes für die Gesellschaft meistern zu können.
Ausbildungsberaterin Xenia Oswald-Kröhler gab im Anschluss einen Überblick über die Zahl der Auszubildenden, die Abschlussprüfungen und den Vorbereitungslehrgang auf die Abschlussprüfung. Hier zeigte sich die momentan problematische Situation im Bereich der Ausbildung deutlich, denn die Zahl der Auszubildenden wird immer geringer. Immerhin konnte sie in Bezug auf den aktuellen Meisterlehrgang und die vermehrten Nachfragen für den nach den Sommerferien geplanten Externen-Lehrgang etwas Hoffnung machen. Dajana Müller, Referentin für die Aus- und Fortbildung in der Hauswirtschaft, informierte darüber hinaus über die neu in den Meisterlehrgängen der LWK implementierten Grundlehrgänge im Bereich der rehabilitationspädagogischen Zusatzqualifizierung (REZA), die geplante Praktikumswoche Rheinland-Pfalz und das bevorstehende Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz.
Vielfalt von Hülsenfrüchten
Lange fristeten Hülsenfrüchte ein Schattendasein, mittlerweile steigen sie auf zum neuen Superfood. Bärbel Euler, Beraterin des Fachzentrums Ernährung aus Montabaur, brachte den Teilnehmerinnen der Tagung die Vielfalt der Hülsenfrüchte und die besonderen Eigenschaften auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit näher. Sie leisten mittlerweile einen großen Beitrag zur Ernährungssicherheit weltweit und schonen durch ihre besonderen botanischen Eigenschaften die landwirtschaftlichen Böden. Bärbel Euler gab darüber hinaus auch ganz praktische Tipps für die Zubereitung und erläuterte, wie durch geschickte Kombinationen die biologische Wertigkeit für eine gesunde Ernährung erhöht werden kann.
Die Frage auf alle Antworten/ Die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung in der Hauswirtschaft
Auf ganz besondere Weise wurden die Teilnehmerinnen der Fachtagung dann von der Performance-Künstlerin Melanie Streibelt mit ihrer Handpuppe „Päckchen“ in das Thema Nachhaltigkeit und die 17 Ziele der Agenda 2023 eingeführt. Auf charmante Art hinterfragte Päckchen die Lebensgewohnheiten und Einflüsse auf das menschliche Handeln und regte an, sich davon frei zu machen und eigene Standards zu entwickeln. Die Puppe transformierte das Thema von der Kopfsache zu einer Herzensangelegenheit und regte so zum Nachdenken an. Eine Art der Wissensvermittlung, die sicher lange im Gedächtnis der Zuhörerinnen haften bleibt.
Nachhaltigkeit umsetzen
Eine konkrete Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele konnte im Anschluss Xenia Romadina, Bildungsreferentin im Fachbereich Hauswirtschaft & Ernährung der IN VIA Akademie/Meinwerk-Institut gGmbH aufzeigen. Sie bestärkte ihre Zuhörerinnen, dass gerade die hauswirtschaftlichen Fach- und Führungskräfte ganz entscheidende Akteure für eine nachhaltige Entwicklung in den Betrieben und Einrichtungen sind. Mit starken Fakten verdeutlichte sie zunächst noch einmal die große Notwendigkeit einer Transformation. „Ein Drittel aller produzierten Lebensmittel werden nie gegessen“, formulierte Xenia Romadina drastisch das große Problem der Nahrungsmittelverschwendung. Auch die Entwicklung, dass der jährliche Erdüberlastungstag immer früher datiert werden muss, ist ein deutliches Zeichen für die Dringlichkeit. Durch ihre Erfahrungen bei der Beratung von Betrieben konnte Xenia Romadina sehr anschauliche und greifbare Empfehlungen für die Hauswirtschaft aussprechen. Ob beim Energiesparen, einer gesunden Ernährung, dem Einsatz von Reinigungsmitteln oder dem ergonomischen Arbeiten – gerade die Hauswirtschaft bietet zahlreiche Möglichkeiten, das Handeln im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsziele zu optimieren.