Wenn die aktuelle rheinland-pfälzische Regierungsspitze vertreten ist, dazu noch ein ehemaliger Ministerpräsident, Landtags- und Bundestagsabgeordnete, Präsidenten von Landes- und Bundesverbänden sowie zahlreiche andere verdiente Ehrenamtliche, und das in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei: Dann muss es sich um einen wirklich besonderen Anlass handeln. Die Verabschiedung von Ökonomierat Norbert Schindler aus seinem 60-jährigen ehrenamtlichen Wirken für die Landwirtschaft und nach 18 Jahren als Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz wurde auf deren Einladung zu einer beachtlichen Zusammenkunft im würdigen Rahmen.
Ökonomierat Michael Horper, heutiger Kammerpräsident und Nachfolger Schindlers in diesem Amt, ging in seiner Ansprache auf die großen Zeitläufte ein, vor deren Hintergrund Norbert Schindlers jahrzehntelanges Wirken einzuordnen sei. Bei der Begrüßung der rund 100 Gäste brandete häufig Applaus auf und es wurde deutlich, wie breit und tief die Vernetzung des Winzer- und Landwirtschaftsmeisters aus der Pfalz bis heute ist. „Die Gästeliste zeigt die Vielfalt und Dauer deines Wirkens. Und besonders schön ist es natürlich, dass auch heute deine Familie an deiner Seite ist“, sagte Präsident Horper.
Ministerpräsidentin Malu Dreyer bezeichnete diese lange Zeit des Schaffens und Drängens für die bäuerlichen Familien schlicht als „Ära Schindler“: „Norbert Schindler gehört zu der Aufbaugeneration nach dem Krieg, denen es vielleicht auch in den Genen steckt, Dinge anzupacken. Das hat er über einen sehr langen Zeitraum getan, und der Erfolg kam auch durch seine Zielstrebigkeit und Ausdauer zustande. Dazu gehörten große Redebeiträge, die manchmal lautstark und ungewöhnlich waren. Aber Schindler zeigte sich in der Sache stets kommunikativ, lösungsorientiert und kompromissbereit“, lobte die Ministerpräsidentin. Dreyer erinnerte an die zahlreichen Gremien, in welchen der ehemalige Kammerpräsident Einfluss nahm und die vielen Epochen der Veränderung meisterte. Angesichts der aktuellen Entwicklungen in Sachen Agrardiesel und Bauernproteste versprach die Regierungschefin, sich in Berlin für die Landwirtschaft einzusetzen und eine bessere Planbarkeit für die Betriebe zu erreichen.
Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt bedankte sich für das gute Miteinander während ihrer Amtszeit und erwähnte ebenso die „kernige Art“ Schindlers, der mit seiner Sachkenntnis und Erfahrung zahlreiche Projekte auf den Weg gebracht habe. „Ich erinnere dabei an die Pandemie, als Ethanol gefragt wie nie war. Norbert Schindler hatte wesentlichen Anteil daran, dass mit Hilfe der Biokraftstoffe Ethanol hergestellt werden konnte. Das war eine kluge Kooperation mit der Landwirtschaft.“ Weiter ging Schmitt auf die künftigen Herausforderungen der Landwirtschaft ein. „Wir sind auf einem guten Weg, dem rheinland-pfälzischen Weg, mit Innovationskraft und dem Einbinden der jungen Generation den Fragen der Zukunft gerecht zu werden.“ Dabei dankte sie auch den Mitarbeitenden der Landwirtschaftskammer, die sich beispielsweise als hoch engagierte und fachlich versierte Berater stets an der Seite der landwirtschaftlichen Betriebe bewiesen.
Es war die (voraussichtlich) letzte Rede Norbert Schindlers in der Staatskanzlei. Und wer dachte, der streitbare Pfälzer werde auch diesmal kein Blatt vor den Mund nehmen, lag richtig. Doch zunächst sprach er kurz seine gesundheitliche Situation an. Ein Schlaganfall im vergangenen Jahr blieb weitgehend folgenlos, weil seine Frau Sigrid ihn so schnell fand und versorgen konnte: „Das war nur möglich mit einer solchen Lebensbegleitung an meiner Seite, vielen Dank.“ Bei seinem Rückblick bedankt er sich zunächst bei Präsident Horper und den Vizepräsidenten Ökonomierat Eberhard Hartelt und Reinhold Hörner, die einen „richtig guten Job machen“. Mit Blick auf die Bauernproteste lobte er auch die Bauernverbände, die mäßigend auf die Demonstranten einwirkten, denn „manchmal habe ich die Sorge, dass der demokratische Pfad an mancher Stelle verlassen werden könnte“. Sein Dank galt aber auch den Wegbegleitern, wie etwa der ehemalige Ministerpräsident Kurt Beck, der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, die ehemalige Umweltministerin Margit Conrad und der jetzige Landtagspräsident Hendrik Hering, alle ebenfalls zu Gast an jenem Abschied in der Staatskanzlei.
Der Politik schrieb der CDU-Politiker und langjährige Bundestagsabgeordnete Schindler ins Stammbuch, dass sie sich immer mehr von den Lebenswirklichkeiten auf dem Land entferne. „Ich halte es mit Helmut Kohl, der einst feststellte: Die Gesetze müssen von 80 Prozent der Menschen verstanden werden und von 70 Prozent der Menschen mitgetragen werden. Das sichert unsere Demokratie!“ Ob erdrückende Bürokratie im landwirtschaftlichen Bereich, mangelnde finanzielle Ausstattung der Landwirtschaftskammer oder in seinen Augen einseitige bis fehlende Berichterstattung der Medien: Ökonomierat Schindler streifte zahlreiche Themen und erntete nicht selten großen Applaus. „Irgendwo muss man das ja loswerden, auch wenn’s meine letzte Rede in der Staatskanzlei ist“, sagte Schindler zur Freude der vielen Gäste und Freunde.
"So kennen wir ihn", sagte Ökonomierat Eberhard Hartelt schmunzelnd und schloss den Reigen der Rednerinnen und Redner. Hartelt bedankte sich nochmals für die Lebensleistung des 74-jährigen Pfälzers und wünschte ihm „Gelassenheit, aber vor allem Gesundheit und noch viele schöne Jahre mit seiner Familie“. Im Anschluss waren die Gäste eingeladen zum Plausch bei prämierten rheinland-pfälzischen Weinen und regionalen Leckereien.