| Interview

Milchkühe und Methan: "Diskussion wird nicht ehrlich geführt"

Tierhaltung beschleunige den Klimawandel, das Tierwohl spiele in der Landwirtschaft keine große Rolle, und wer braucht eigentlich noch Milch? Solche und andere Thesen tauchen immer wieder in den Diskussionen rund um Landwirtschaft und Milchviehhaltung auf. Hergen Rowehl, Geschäftsführer des Landeskontrollverbandes Rheinland-Pfalz-Saar e.V. (LKV), war zu Gast in der Vollversammlung der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz und stellte dort mit seinem Vortrag die neuesten Erkenntnisse dazu vor. Im Interview bezieht Rowehl detailliert Stellung und ordnet ein.
Hergen Rowehl neben der LKV-Kuh: Der 61-jährige Diplom-Agraringenieur führt den Landeskontrollverband Rheinland-Pfalz-Saar e.V. mit Sitz in Bad Kreuznach.

Herr Rowehl, warum soll der LKV in der Lage sein, die Vorwürfe an die Tierhalter zu widerlegen?

Rowehl: Weil wir dazu unter anderem durch die Milchqualitätsprüfung die breiteste Datengrundlage haben, die es uns erlaubt, die Dinge besser einordnen zu können. Rund 85 Prozent aller Milchviehbestände und etwa 75 Prozent aller Betriebe sind bei uns organisiert und lassen regelmäßig die Milchqualität überprüfen. Der monatliche Gesundheitscheck aller Kühe ist nicht nur ein Garant für Tierwohl und wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch eine hervorragende Datenquelle. Das ist deutschlandweit einzigartig in Qualität und Intensität der Daten, die über einen langen Zeitraum erfasst werden. Dadurch sind wir in der Lage, Entwicklungen sehr genau darzustellen.

Welche Entwicklungen haben Sie beobachtet?

Rowehl: Ob Klimawandel, Düngeverordnung oder Futtermittelplanung – die Landwirtschaft steht unter Druck und sieht sich vielen Forderungen gegenüber. Es ist unbestritten, dass die Landwirtschaft einen großen Anteil an der Emission von Treibhausgasen hat. Diese Diskussion wird allerdings nicht offen und ehrlich geführt. Wiederkäuer stoßen Methan aus, ja. Aber das ist grundsätzlich anders zu betrachten als andere Methanquellen, weil es sich um einen geschlossenen Kohlenstoffkreislauf handelt: Das Gras wächst und nimmt CO2 auf, die Kuh frisst es, sie stößt bei der Verdauung Methan aus, das nach zwölf Jahren in der Atmosphäre abgebaut wird und wieder bei den Pflanzen ankommt. Außerdem: Da der Milchviehbestand stetig zurückgeht, ist somit auch der Methanausstoß von Wiederkäuern rückläufig. Andere Methanquellen, beispielsweise auftauende Permafrostböden oder Meeresböden, die durch steigende Wassertemperaturen zunehmend Methan freisetzen, sollten viel mehr in den Mittelpunkt rücken, weil sie das System immer mehr anreichern. Forderungen, den Milchviehbestand pauschal um 50 Prozent zu reduzieren, sind daher nicht zielführend. Im Gegenteil, denn wenn wir in Deutschland weniger Milch produzieren, müssen wir importieren. Und zwar auch aus Ländern, in welchen die Tierhaltung weitaus klimaschädlicher als bei uns betrieben wird. Wir haben den niedrigsten Milchviehbestand seit 1990, und seit 2003 ist der Methanausstoß unter dem Niveau von 1892. 1950 waren es noch über 360.000 Milchkühe in Rheinland-Pfalz, heute sind wir noch bei rund 100.000.

Wie bewerten Sie die Diskussion um fehlendes Tierwohl, Stichwort „Turbo-Kühe“?

Rowehl: Als LKV unterstützen wir die Landwirtinnen und Landwirte im Bereich Tierwohl und Tiergesundheit gerne und gut. Mit der Auswertung unserer Daten nach einem deutschlandweit standardisierten Verfahren haben wir die wichtigsten Tierwohlindikatoren im Blick. Nur eine gesunde Kuh kann eine ordentliche Milchleistung bringen. Dass die Milchleistung bei sinkendem Bestand dennoch steigt, hat verschiedene Gründe.

Welche?

Zunächst hat sich die Zucht immer weiter verbessert, weil man mehr über die Tiere und die biologisch-genetischen Zusammenhänge weiß. Durch die engmaschige Untersuchung jeder Kuh kann der Betrieb die optimale Futterration zusammenstellen. Und auch die verbesserten Stallbedingungen tragen zur positiven Entwicklung bei, die schließlich zu mehr Milch mit höherer Qualität führt. Da werden also keine „Turbo-Kühe“ gezüchtet und anschließend ausgebeutet. Man weiß heute schlicht mehr über die Tiere – und die Daten dazu haben wir beim LKV exklusiv. Dazu gehört auch das Nationale Tierwohlmonitoring unter dem Label „Q Check“. Mit diesem Programm werden wertvolle Informationen über Tierwohl und Tiergesundheit aus den Daten gewonnen. Das kommt direkt den Tieren und so natürlich auch den Betrieben zugute.

Warum wird Milch denn überhaupt noch als Lebensmittel gebraucht? Es gibt doch mittlerweile zahlreiche Alternativen auf dem Markt.

Rowehl: Wettbewerbsprodukte, beispielsweise Haferdrink, sind sehr aufwendig und daher teuer in der Herstellung. Zudem haben sie weniger zu bieten. In zahlreichen chemischen Schritten wird das Produkt hergestellt, und dann ist man qualitativ noch nicht mal nah dran an echter Milch. Milch ist ein hochkomplexes Lebensmittel mit essenziellen Inhaltsstoffen, die die Ersatzprodukte nicht beinhalten können und deshalb allen anderen Ersatzprodukten weit überlegen. Ein weiterer Aspekt: Der technische Fortschritt der Menschheit hing stets mit der Nährstoffversorgung zusammen. Es ging immer dann aufwärts, wenn Menschen gut versorgt waren – Milch und Fleisch spielten dabei eine zentrale Rolle.

Herr Rowehl, trinken Sie regelmäßig Milch?

Rowehl: Ja. Ich trinke nicht täglich Milch, aber Milchprodukte wie Käse oder Joghurt stehen jeden Tag auf dem Speiseplan.

Über den Landeskontrollverband:

Der Landeskontrollverband Rheinland-Pfalz-Saar e.V. sieht sich als Dienstleister für die Milchviehbetriebe. Das Angebot umfasst Milchleistungsprüfung, Tiergesundheit, Molkereigüte und Laborleistungen, Tierkennzeichnung, eine Tierarzneimitteldatenbank, Informationen zu Melktechnik und Qualitätsmanagementsysteme. Die Verwaltung befindet sich in Bad Kreuznach, die Laborräume in Föhren (Landkreis Trier-Saarburg).

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