Kammerpräsident Ökonomierat Michael Horper blickte in seiner Rede auf die drängendsten Probleme der einzelnen landwirtschaftlichen Branchen und Referate. „Unsere angespannte Haushaltssituation ist hinlänglich bekannt. Deshalb haben wir mit der Erhöhung des Kammerbeitrags bei gleichzeitigen drastischen Einsparungen – 20 Stellen wurden in den vergangenen beiden Geschäftsjahren abgebaut – unsere Hausaufgaben gemacht“, erinnerte er an die Beschlüsse der vergangenen außerordentlichen Vollversammlung im September. „Das Land war daher gefordert, die Zuwendungen für unsere Kammeraufgaben zu erhöhen.“ Und da hatte Ministerin Schmitt gute Nachrichten aus Mainz dabei. „Eine starke Kammer ist uns wichtig, und deshalb ist die zusätzliche Unterstützung der Landwirtschaftskammer in sechsstelliger Höhe ein ebenso starkes Signal“, so die Ministerin. Neben der Erhöhung des Kammerbeitrags in diesem Jahr trugen auch die erhöhten Zuwendungen zu einem ausgeglichenen Haushalt bei. Doch zunächst machte Horper die Bandbreite der verschiedenen Problemlagen in den einzelnen Bereichen fest.
Raumordnung: Der immense Flächenverbrauch setzt sich beim Ausbau der Erneuerbaren Energien fort. Die Planungen für Freiflächenphotovoltaik gehen weit über den erforderlichen Bedarf hinaus – hier besteht Konsens zwischen Kommunen und Landwirtschaft, ertragreiche Flächen zu schonen und stattdessen bereits versiegelte Flächen zu beplanen.
Forst: Wald und Waldwirtschaft stehen vor einem gewaltigen Umbruch. Ziel ist es, die bisherigen Wälder wieder zukunftsfähig und nachhaltig aufzubauen. Hauptlast dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe tragen hierbei die Waldeigentümer, meist sind sie Land- und Forstwirte. Beim Umbau unterstützt die Landwirtschaftskammer, digitale Instrumente sollen zum Einsatz kommen und Bodenordnungen stattfinden
Bildung: Ausbildungsverträge dürfen nun komplett digital geschlossen werden. Das regelt das neue Berufsbildungsvalidierungs- und digitalisierungsgesetz, ein Bundesgesetz. Die Prüfung der Ausbildungsverträge, die ohne physische Unterschrift wirksam werden, obliegt der Landwirtschaftskammer, was eine zusätzliche Aufgabe darstellt. Eine weitere Auswirkung der neuen Gesetzgebung: Langjährige Tätigkeiten ohne ent-sprechende Ausbildung können als vergleichbar zu einem anerkannten Ausbildungsberuf anerkannt werden. Die Feststellung der Anerkennung wird zum Großteil durch das Ehrenamt erfolgen. Gleichzeitig droht die Aushöhlung des dualen Ausbildungssystems. Matthias Backes, Referatsleiter Bildung, stellte hierzu im weiteren Verlauf der Versammlung auch die Änderung der Gebührensatzung vor, die das neue Validierungs-verfahren erforderlich machte.
Weinbau: Zahlreiche Reformen und geänderte Vorschriften in den letzten Jahren trugen zum Bürokratiezuwachs bei. Das Ziel der Landwirtschaftskammer lautet, durch Digitalisierung der Kammerangebote (Stichwort Weininformationsportal) zu entlasten. Außerdem bringt sich die Kammer bei gesetzlichen Änderungsprozessen auf allen Ebenen ein, einschließlich EU-Ebene.
Pflanzenbau: Die Behandlungszeitpunkte 2024 waren witterungsbedingt nicht immer optimal. Zunehmend werden Herbizidresistenzen und Wirkungsverluste deutlich,
während immer mehr Wirkstoffe aufgrund ausbleibender Zulassungsverlängerung wegfallen. Wichtige Pflanzenschutzmittel, vor allem aber verschiedene Wirkstoffe und
Wirkstoffgruppen müssen in der Zulassung bleiben.
Tierproduktion: Blauzungenkrankheit und ASP stellen die Landwirte vor große Herausforderungen – auch psychische Belastungen müssen hier genannt werden. Neben den Existenzängsten, die die Tierseuchen und Tierkrankheiten verursachen, entstehen hohe Kosten. Aborte, Milchleistungsverluste und andere Kostentreiber verursachen arbeitsintensive und ökonomische Mehrbelastungen. Sowohl das Landwirtschafts- als auch das Umweltministerium müssen hier eine gemeinsame Lösung finden.
Wolf: Die Wiederansiedlung des Wolfes beschäftigt mittlerweile eine große Zahl von Weidetierhaltern. Wenn die Weidetierhaltung erhalten bleiben soll, muss das Wolfsmanagement grundlegend verändert werden. Es drohen sonst der Verlust von Weidetierhaltung und Biodiversität, genetische Verarmung und der Verlust von Wildbeständen. „Wie viele Wölfe kann unsere Landwirtschaft ertragen?“, fragte Horper.
Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt blickte auf ein „turbulentes Jahr 2024“ zurück und setzte ihre Schwerpunktthemen. „Wir dürfen Großunternehmen mit eigenen Berichtsabteilungen nicht mit landwirtschaftlichen Betrieben gleichsetzen. Der Landwirt gehört auf den Acker und sollte nicht abends im Büro noch gegen eine überbordende Bürokratie kämpfen müssen“, so Schmitt. Positiv bewertete sie das vergangene Spitzengespräch zum Weinbau. Wein sei Kulturgut, identitätsstiftend und ein Genussmittel. „Zu den positiven Effekten eines erfolgreichen rheinland-pfälzischen Weinbaus gehören ein starker Tourismus und die erfolgreichen Unternehmen im Bereich Landmaschinentechnik“, zählte Schmitt auf und verwies auf rund 50 Millionen Euro an Fördermitteln für den Weinbau im Land aus EU-, Bundes- und Landesmitteln. Insgesamt seien rund 240 Millionen Euro aus diesen Töpfen in die Landwirtschaft investiert worden. Besonders betonte sie dabei die Förderung für Junglandwirte, die bei der Existenzgründung Unterstützung erhalten.
Bei der anschließenden Diskussion nahm Daniela Schmitt Stellung zu den verschiedenen Themen aus dem Plenum, signalisierte Gesprächsbereitschaft und versprach, die Themen „mitzunehmen sowie gemeinsame Lösungen zu finden“.
Kammerdirektor Dr. Markus Heil und Verwaltungschefin Gerlinde Halfmann stellten den Haushalts- und Stellenplan 2025 vor, der auch eine Erhöhung der Aufwandsentschädigung des Ehrenamts vorsah. Nach eingehender Diskussion wurde der Haushaltsplan mit Satzung ohne Gegenstimme verabschiedet.
Anschließend wurden die Mitglieder der Vollversammlung über das Beratungsangebot der Landwirtschaftskammer informiert. Nils Töpperwien (betriebswirtschaftliche Beratung), Lutz Heuer (Bau, Technik und Energie), Hildegard Runkel (Erwerbskombinationen) und Jan-Hendrik Müller (Raumordnung und Sachverständigenwesen) gaben einen Überblick über das breite Portfolio der maßgeschneiderten Beratungsleistungen.
Im Rahmen der Vollversammlung wurden auch zwei Ehrungen vorgenommen. Präsident Horper zeichnete Walter Clüsserath aus Pölich mit der Goldenen Kammermedaille aus. Der 64-jährige Weinbaupräsident von der Mosel ist seit 1999 Mitglied der Vollversammlung und seit 2011 Mitglied des Vorstands. Er ist unter anderem Vorsitzender der Stiftung Kulturlandschaft und im Landesbeirat im Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.
Georg Riede aus Frankenthal-Studernheim erhielt für seine Verdienste ebenfalls die Silberne Kammermedaille. Seit 2024 führt er den Ausschuss Sachverständigenwesen, war von 2005 bis 2020 öffentlich bestellter Sachverständiger und ist Vorsteher des Wasser- und Bodenverbands Rheinhessen-Pfalz. Der 60-jährige Landwirt ist zudem Grundstücksverkehrsbeauftragter und Vorsitzender des Naturschutzbeirates der Stadt Frankenthal.