Eine Wahlperiode der Landwirtschaftskammer dauert sechs Jahre, deshalb standen neben den Vorstandswahlen auch die Konstituierung der Vollversammlung und die Besetzung der Ausschüsse auf der Tagesordnung, die in der Bockenauer-Schweiz-Halle abgearbeitet wurden. Alle Wahlen liefen reibungslos und waren im Vorfeld organisatorisch sehr gut vorbereitet worden.
Die Reihen der Ehrengäste waren dicht besetzt, unter anderem mit Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt. Sie forderte in ihrer Ansprache eine Rückkehr zur kompromissorientierten Debattenkultur. „Kontroverses Schwarz-Weiß-Denken bringt uns nicht weiter. Wir müssen angesichts der vielfältigen Probleme im Agrarsektor diskutieren, aber die gemeinsame Lösung im Blick haben.“ Zu den größten Problemen gehören aus Sicht der Ministerin die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, die gestiegenen Energie- und Produktionskosten, der anhaltende Fachkräftemangel sowie die Inflation. „Auch durch den Klimawandel sehen wir uns zunehmend mit neuen Problemen konfrontiert. Die geplante EU-Verordnung zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wurde abgelehnt. Das ist richtig so, denn das hätte unsere Betriebe vor unlösbare Schwierigkeiten gestellt“, sagte die FDP-Politikerin unter großem Applaus der Vollversammlung. Beim scheidenden Kammerpräsidenten Schindler bedankte sich Daniela Schmitt sehr herzlich für die vergangenen gemeinsamen Jahre: „Du wirst uns fehlen, lieber Norbert: deine Fachkenntnis, dein Einsatz und deine direkte Art. Du hast nie ein Blatt vor den Mund genommen und nicht um den heißen Brei herumgeredet. Dennoch warst du immer kompromissbereit und hast nach Lösungen gesucht“, würdigte Schmitt die 18-jährige Dienstzeit des Kammerpräsidenten Schindler.
Dieser blickte über die vergangene Legislaturperiode zurück und streifte die wesentlichen landwirtschaftlichen Themen dieser Zeit. Bauernproteste, Bürokratie, gesetzliche Einschränkungen und Klimawandel – die alten Probleme sind auch die neuen dieser Zeit. Er erinnerte auch die öffentlich-rechtlichen Medien an deren Bildungsauftrag: „Wir brauchen kompetente Berichterstattung ohne Ideologie! Das Wissen um die Landwirtschaft muss den Menschen nahegebracht werden“, forderte der scheidende Präsident. Im Rahmen seiner Rede bedankte sich Schindler auch bei Ralph Gockel, der nach fast 36 Jahren die Landwirtschaftskammer verlässt und in Pension geht. Wie sehr der gelernte Agrar-Ökonom von den Delegierten geschätzt wird, machte der sehr lange Applaus deutlich. Gockel bedankte sich für das gute Miteinander und betonte: „Das Kammerwesen ist ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft. Die Selbstverwaltung als Fachanwalt der Landwirtschaft ist von großer Bedeutung und kann durch staatliche Strukturen nicht ersetzt werden.“
66 Jahre, zwei Kinder und fünf Enkel, verwurzelt in der Eifel, Landwirt durch und durch: So beschrieb sich Ökonomierat Michael Horper in seiner Bewerbungsrede. Dabei unterstrich er die Funktion der Landwirtschaftskammer als Fachanwalt für die Landwirtschaft, wies auf den Interessenausgleich mit der Allgemeinheit hin und forderte die Stärkung der Selbstverwaltung. „Vor allem gilt es, die finanzielle Ausstattung der Kammer auf belastbare Fundamente zu stellen. Da werden wir mit Mainz sehr deutlich reden müssen“, kündigte der später gewählte Präsident Horper intensive Gespräche mit der rheinland-pfälzischen Landesregierung an. Kommunalpolitisches Engagement, ein starkes Netzwerk, das bis auf europäische Ebene reicht und eine von Kindesbeinen an erworbene Fachkenntnis der landwirtschaftlichen Materie führte Horper weiterhin für seine Person an. „Ich weiß eine starke Mannschaft an meiner Seite. Lassen Sie uns die großen Aufgaben gemeinsam angehen“, bat Horper. Er hatte damit die Delegierten auf seiner Seite, die ihn anschließend in geheimer Wahl zum Präsidenten wählten.
Der bisherige Präsident Schindler wurde mit stehenden Ovationen verabschiedet. „Du hast 18 Jahre lang den Kopf für uns hingehalten. Dabei hast du Großartiges für den Berufsstand in unserem Land und darüber hinaus geleistet. Die Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz trägt auch deine Handschrift“, sagte Horper in seiner Laudatio.
Die Vorstandswahlen gingen ebenso reibungslos über die Bühne wie die Wahl der Ausschüsse und deren Struktur sowie Größe. Erster Vizepräsident ist Ökonomierat Eberhard Hartelt, Präsident des BWV Rheinland-Pfalz Süd e.V. Zweiter Vizepräsident ist der Weinbaupräsident der Pfalz, Reinhold Hörner. Weitere Vorstandsmitglieder: Gudrun Breuer für die voll mitarbeitenden Familienangehörigen, Rüdiger Bohlander als Vertreter der Arbeitnehmer sowie Isabel Steinhauer-Theis, Walter Clüsserath, Astrid Schales, Harald Schneider, Jürgen Vogelgesang und Matthias Müller als weitere Vorstandsmitglieder.
Im Rahmen der Vollversammlung wurden auch die Prüfung der Jahresrechnung 2022 sowie der Haushalts- und Stellenplan 2024 beschlossen. Dabei wurde deutlich, dass die Landwirtschaftskammer finanziell zunehmend unter Druck gerät. Kammerdirektor Dr. Markus Heil, der die Pläne vorstellte, machte dafür die wesentlichen Punkte deutlich: absehbar steigende Personalkosten durch Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst, die Versorgung der Pensionäre und drastische Mindereinnahmen in verschiedenen Bereichen der Selbstverwaltung, beispielsweise Beratung. Hinzu kommen die Unsicherheiten bei der Grundsteuerreform und säumige Kommunen, die mehrfach zur Weiterleitung der Beiträge aufgefordert werden müssen. „Wenn die Landesregierung unsere Kammer nicht endlich besser ausstattet, gehen wir sehr schweren Zeiten entgegen“, appellierte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Walter Wolf, an die Landesebene.
Zum Schluss bedankte sich der neue Erste Vize-Präsident Ökonomierat Eberhard Hartelt bei allen Beteiligten der 59. Vollversammlung, die den Beginn der 10. Wahlperiode markiert. „Dabei möchten wir nicht den bisherigen Vizepräsidenten Ökonomierat Heribert Metternich vergessen, der heute leider nicht dabei sein kann. Auch er hat Großes für die Landwirtschaftskammer geleistet.“