Seminarrückblick – „Herausfordernde Zeiten im Weinbau“ in Oppenheim
Rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich am 27. November in der Aula des DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Oppenheim eingefunden, um sich in dem von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz organisierten Seminar über die aktuellen Entwicklungen im Weinbau zu informieren und Hilfestellungen zu betrieblichen Änderungsprozessen kennenzulernen.
Dr. Bernd Prior, Leiter der Abteilung Weinbau, Oenologie und Weinmarkt des DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, begrüßte die zahlreich erschienenen Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer. Es folgte ein Vortrag von Dr. Jürgen Oberhofer vom Weincampus Neustadt zu den aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen im Weinbau. Aus dem Vortrag wurde die schwierige wirtschaftliche Lage im Weinbau deutlich. So ging Dr. Oberhofer auf die gestiegenen Kosten in verschiedenen Bereichen des Weinbaus ein und stellte diese dem Umsatzrückgang durch verändertes Verbraucherverhalten gegenüber. Auch zeigte er erste kurzfristige Lösungsansätze bei Liquiditätsproblemen auf. Denn sind über einen längeren Zeitraum hinweg Liquiditätsprobleme vorhanden, so seien diese nicht „Der Anfang vom Ende, sondern das Ende vom Ende“. Darüber hinaus präsentierte er Lösungsansätze, mit denen Weinbaubetriebe je nach individueller Situation einen Beitrag zur Kostenreduktion leisten können. So kam die Sprache auf den Minimalschnitt sowie die Anpflanzung von PIWI-Sorten. Auch ging Dr. Oberhofer auf die ebenfalls schwierige Marktsituation im Ausland ein. „An der Flächenreduzierung geht kein Weg vorbei“ – vor diesem Hintergrund sprach er sich dafür aus, dass die Flächen schneller reduziert werden sollten, als die Nachfrage sinkt, um „vor der Welle zu sein“. Er warnte die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer eindringlich davor, die aktuellen Probleme auszusitzen. Stattdessen sollten Anpassungsprozesse angegangen werden, was in der Branche jedoch aktuell leider nicht der Fall sei. Kein gutes Bild zeichnete Dr. Oberhofer insbesondere vom Fassweinmarkt. Hier erwartet er für das aktuelle Wirtschaftsjahr einen weiteren drastischen Rückgang der aktuell ohnehin bereits niedrigen Gewinne der Betriebe und sieht auch zukünftig keine Verbesserung der Situation. Sein Fazit zur aktuellen Lage auf dem deutschen Weinmarkt lautete: „Je mehr man sich mit den Daten beschäftigt, desto düsterer wird es!“
Zur intensiven Beschäftigung mit den Inhalten des Vortrags von Herrn Oberhofer lud Frau Dr. Elke Dührßen, die Moderatorin des Seminars, zu einem „World Café“ ein. Aus den Ergebnissen der Gruppenarbeiten wurde deutlich, dass unter den Teilnehmenden viel Diskussionsbedarf herrschte und eine große Motivation zu Veränderungen bei den Betrieben vorhanden ist. Auch konnte festgestellt werden, dass für die zahlreichen komplexen Problemstellungen im wirtschaftlichen, sozialen, familiären und politischen Bereich ein hoher Unterstützungs- und Beratungsbedarf besteht. Die Ergebnisse der Gruppenarbeiten werden im nächsten Schritt in den Gremien der Landwirtschaftskammer vorgestellt und diskutiert sowie in die Arbeit der politischen Gremien einfließen.
Nach dem gemeinsamen schmackhaften Mittagessen stellte Franziska Hauck vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd e.V. mit anschaulichen Beispielen vor, was bei betrieblichen Änderungsprozessen wie zum Beispiel Betriebsverkleinerungen oder -abgaben im Bereich der Sozialversicherungen zu berücksichtigen ist. Sie wies mit Blick auf die Mitwirkungspflichten der Versicherten darauf hin, dass eine zeitnahe Meldung an die SVLFG bei betrieblichen Veränderungen unerlässlich ist, damit die Versicherungsbeiträge entsprechend angepasst werden können. Auch verdeutlichte Frau Hauck, dass die gesetzliche Rente bei Renteneintritt nicht ausreichen wird und Betriebsleiter und -leiterinnen daher frühzeitig privat vorsorgen sollten. Ihr eindringlicher Appell angesichts der sehr betriebsindividuellen Gegebenheiten im Bereich der Sozialversicherungen lautete: „Lassen Sie sich beraten!“. Das Beratungsangebot zu den Sozialversicherungen steht allen Betrieben aus Landwirtschaft und Weinbau unabhängig von einer Mitgliedschaft beim Bauern- und Winzerverband offen.
Es schloss sich Matthias Lambert vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd e.V. an, der wichtige steuerliche Aspekte bei betrieblichen Änderungsprozessen vorstellte. Alle Anwesenden verfolgten konzentriert die Ausführungen zu steuerlichen Verrechnungsmöglichkeiten bei Verlusten und welche Aspekte bei einer Betriebsverpachtung, - aufgabe oder -veräußerung aus steuerlicher Sicht beachtet werden sollten. Insbesondere zum Thema Gewinnglättung kamen einige Fragen auf, die Herr Lambert fachkundig beantworten konnte. Auch thematisierte er die kürzlich beschlossene Absenkung der Pauschalierungssätze für Landwirtschaft und Weinbau. Zum Schluss seines Vortrags gab Herr Lambert noch einmal wertvolle Tipps zur Minderung der Steuerlast in schwachen Wirtschaftsjahren.
Anschließend folgte ein Vortrag von Eva Hock, einer ausgebildeten Mediatorin, die Familienbetriebe bei Veränderungsprozessen begleitet. Es wurde deutlich, dass bei Konflikten in Familienbetrieben immer auch die emotionale Beziehungsebene mitschwingt, was den Lösungsprozess erschweren kann. So nehmen die einzelnen Familienmitglieder in ihrer Beziehung zueinander häufig mehrere Rollen ein, denen jeder gerecht werden möchte. Oft fällt ein Perspektivwechsel schwer, was insbesondere bei Betriebsübergaben dazu führen kann, dass sich die verschiedenen Generationen nicht einig sind. Auch ging Frau Hock auf sogenannte Prozess-Fallen ein, die bei familiären Konflikten im Rahmen von betrieblichen Änderungsprozessen zum Tragen kommen. Sie wies darauf hin, dass die Leidensfähigkeit der Branche dazu führt, dass Familien oft zu lange warten, bis sie sich professionelle Hilfe holen. Aus diesem Grund richtete sie sich an alle Anwesenden im Raum und appellierte auch insbesondere an die Männer, frühzeitig eine Mediation bei betrieblichen Änderungsprozessen und familiären Konflikten in Anspruch zu nehmen. Zum Schluss ihres Vortrags zeigte Frau Hock noch die Indikationen für eine Mediation auf und erläuterte den Ablauf einer Mediation.
Das Seminar schloss mit einem Vortrag von Hildegard Runkel, Referatsleiterin Einkommensalternativen, sowie Nils Töpperwien, Leiter des Referats Betriebsführung und Markt, zum betriebswirtschaftlichen Beratungsangebot der Landwirtschaftskammer. Herr Töpperwien nahm nochmals Bezug zum Eröffnungsvortrag von Dr. Oberhofer und zeigte detailliert auf, wie die Liquidität eines Betriebes ermittelt werden kann und welche Auswirkungen ein negativer Cashflow hat. Frau Runkel stellte anschließend ein Rechenbeispiel aus der Praxis vor, welches Herr Töpperwiens Ausführungen nochmals verdeutlichte. An dieser Stelle wurde auch auf die aktuellen Ergebnisse der an der Kammer angesiedelten Testbuchführung für das Wirtschaftsjahr 2023/24 eingegangen, die starke Gewinnrückgange für alle Vermarktungsformen im Weinbau ausweisen. Vor allem die Fassweinbetriebe stachen hier mit einem Gewinnrückgang von über 55 % im Vergleich zum vorherigen Wirtschaftsjahr heraus. Anhand der Kalkulation wurde deutlich, wie der Gewinnrückgang die Liquidität des Beispielbetriebes in eine sehr kritische Situation bringen kann. Darüber hinaus erläuterte Frau Runkel das vielfältige Beratungsangebot der Landwirtschaftskammer im Bereich der Diversifizierung und zeigte auf, wie mit relativ kleinen Maßnahmen bestehende Betriebe mit einer Einkommensalternative ihre Ergebnisse verbessern können. Im Anschluss ging Herr Töpperwien noch auf das betriebswirtschaftliche Beratungsangebot für den Weinbaubetrieb ein. Alle betriebswirtschaftlichen Beratungsangebote für den Weinbaubetrieb sowie damit verbundenen Betriebszweigen mit Einkommensalternativen werden aktuell zu 80 % der Netto-Beratungskosten vom Land und von der EU bezuschusst. Zum Abschluss des Vortrags wies Herr Töpperwien noch einmal darauf hin, dass die neutralen Beraterinnen und Berater der Kammer den Weinbaubetrieben bei der Erarbeitung von betriebsindividuellen Lösungsansätzen gerne zur Verfügung stehen.
Im Schlusswort bedankten sich Frau Runkel und Herr Töpperwien im Namen der Landwirtschaftskammer bei allen Referenten und der Moderatorin Frau Dr. Dührßen und überreichten ihnen Weinpräsente. Auch ging ein Lob an das DLR für die Bereitstellung der Räumlichkeiten und die gelungene Organisation des Seminars vor Ort. In den Gesichtern aller Anwesenden konnte man ablesen, dass das Seminar zum Nachdenken angeregt hat. So konstatierte ein Teilnehmer treffend: „Es wird ungemütlich!“. Alle beteiligten Referentinnen und Referenten konnten einen intensiven Einblick in die Probleme und Sorgen der Weinbaubetriebe erhalten und Anregungen mitnehmen, die sie in ihre jeweiligen Gremien und Fachausschüsse einbringen werden.
Das Seminar „Herausfordernde Zeiten im Weinbau – wie geht es mit meinem Betrieb weiter“ wurde von den Referaten Betriebswirtschaft und Einkommensalternativen der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz veranstaltet. Nachdem das Seminar bereits am 15. Oktober am DLR Rheinpfalz in Neustadt stattgefunden hatte, wurde aufgrund der hohen Nachfrage der weitere Termin in Oppenheim organisiert.
Es ist vorstellbar, dass das Seminar im neuen Jahr auch nochmals in anderen Regionen in Rheinland-Pfalz angeboten wird. Die Termine werden dann auf der Website der Landwirtschaftskammer sowie im Newsletter bekanntgegeben.
Unterstützung finden Sie hier:
Zum Beratungsangebot der Landwirtschaftskammer
https://www.lwk-rlp.de/einkommensalternativen
https://www.lwk-rlp.de/beratung/betriebswirtschaftliche-beratung